Das Recht der Kinder zählt nicht
Stellungnahme zum Beitrag von Joachim Kardinal Meisner, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01.08.09 Seite 10
Kardinal Meisner irrt wenn er davon ausgeht, dass es beim Adoptionsrecht ausschließlich um das Recht und Wohl der betroffenen Kinder geht. Artikel 6 des Grundgesetzes kennt nur das Elternrecht und keine Rechte des Kindes, es lässt sich nur das Erbrecht ableiten. Das Elternrecht als natürliches Recht der Eltern ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht kraft des natürlichen Zeugungsvorgangs in biologischer und psychologischer Sicht das natürliche Recht eines Kindes auf seine Eltern. Die Rechte sind beidseitig und natürlicherseits in gleichem Verhältnis gegeben:
- das Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder (die natürliche Autorität) und
- das Recht des Kindes auf seine Eltern/Ersatzeltern (das natürliche Vorbild).
Wenn diese Familienbeziehung zerfällt, dann bedingen sich die Rechte wechselseitig, das Kind hat ein Recht auf Ersatzeltern. Diese Ersatzelternschaft ist jedoch nicht nur unter der Prämisse eines Ersatzmaximums zu sehen, sondern primär unter der Prämisse eines Ersatzminimums. Das Ersatzminimum ist die dauerhafte Bezugsperson, d.h. wenn ein Elternteil verstirbt, verbleibt das Kind beim allein erziehenden Elternteil. Sofern auch dies nicht möglich ist, ist als Ersatz zumindest eine dauerhafte Bezugsperson nötig. Dies genügt kraft meiner eigenen Erfahrungen als langjähriges Heim- und Pflegekind vollständig dem Wohle des Kindes. Der deutsche Staat ist bisher nicht fähig gewesen, dieses Ersatzminimum im Grundgesetz zu formulieren. Die katholische Kirche hat es bisher auch nicht geschafft, dieses Ersatzminimum als Leitmaxime ihres Handelns zu verstehen. Stattdessen wird die Triangulierung als das zentral bedeutsame Kriterium postuliert, was der Realität nicht genügt, sondern primär von Wissenschaftsinteresse ist. Die Triangulierung stellt primär nur auf die Dreiecksbeziehung zwischen Vater, Mutter und Kind ab. Damit ist die Familie als Kernfamilie auf ein Minimum reduziert. Eine Familie ist jedoch mehr wie dieses Minimum. Eine Familie beinhaltet auch Geschwister, Tanten und Onkeln, die Großeltern, Freunde der Eltern. Es ist ein sich stets veränderndes Beziehungsgeflecht, eine Familienstruktur mit der Kernfamilie und der Gesamtfamilie. Eine Familie nur im Sinne einer Kernfamilie als zentral bedeutsames Kriterium zu sehen, genügt nicht dem irdischen Wohle des Kindes und ist auch keine zwingende Bedingung. Das zwingende Minimum ist eine dauerhafte Bezugsperson, die so wichtig ist wie Nahrung und Wärme. Es ist gemeinhin bekannt, dass Glück und Unglück in einer Familie dicht beisammen sein können. Menschen sind nicht perfekt und machen Fehler. Es ist zwar anerkennenswert Idealvorstellungen zu formulieren, doch dies wird der Realität nicht gerecht.
Neben dem Ersatzminimum ist jede weitere Form menschlichen Zusammenlebens für das Kindeswohl förderlich. Ich wäre auch gerne zu gleichgeschlechtlichen Paaren gezogen, wenn diese mir die für meine Persönlichkeitsbildung maßgebliche Voraussetzung gegeben hätten und dazu gehört die Liebe eines und/oder mehrerer Erwachsener, denn nur die Liebe macht das Kind stark für sein Leben. Das Kind entwickelt seine eigene Sexualität, wenn auch unter homosexuellen Vorbildern. Die katholische Kirche lehnt Heterosexualität unter Priestern ab, weiß aber offensichtlich das Homosexualität dem Kindeswohl schadet. Eigene Kinder können katholische Kirchenträger nicht haben und auch nicht selbst erziehen, maßen sich jedoch an zu wissen, was dem Wohle des Kindes entspricht. Die Debatte um das Adoptionsrecht kann nur kraft der natürlichen Rechtsbeziehungen in einer Familie im Sinne des Elternersatzes geführt werden und dazu gehören beide Seiten der Medaille. Die katholische Kirche meint hier auf der Seite der Kinder zu stehen, jedoch zeugen deren Verantwortliche selbst keine Kinder, lehnen damit für sich die Intimität der familiären Beziehungen zwischen Kindern und Eltern/Ersatzeltern ab. Die katholische Kirche hat hier daher keine Befugnis über die Rechtsbeziehungen in einer Ersatzfamilie mitzureden; die Diskussionsbeiträge der katholischen Kirche genügen primär überirdischen Maßstäben, deren Basis der Glaube und die menschliche Phantasie ist.