Da irrt Bettelheim mit seiner Erkenntnis: Liebe allein genügt nicht
Aus der Sicht ehemaliger Heim- und Pflegekinder gibt es keine Notwendigkeit, potentielle Pflegeeltern mit Fachwissen zu "blenden". Tragendes Element kindlicher Entwicklung ist die Liebe. Dazu braucht man kein Fachwissen. Mit Fachwissen schafft man sich eine Fassade und vergisst dabei zu leicht die fundamentalen Grundbedürfnisse des Kindes nach Identifizierung, Emotionalität, Sexualität, Interessensdurchsetzung, Statusdarstellung und Territorialität. Die Eltern sind dabei die Hauptvorbilder für ihre Kinder. Berufstätige sind nicht gefragt, sondern Menschen als Vorbilder und das "rund um die Uhr". Wer glaubt, vielen etwas bieten zu wollen, bietet letztlich niemandem besonders viel. In der Kindererziehung gibt es keine Patentrezepte. Es genügt eine dauerhafte Bezugsperson. Diese ist so wichtig wie Nahrung und Wärme.
Warum werden potentielle Pflegeeltern andere Motive für ihre Kinderzeugung und Kindererziehung unterstellt als leiblichen Eltern? Unsere Behörden hätten viel zu tun, wollten sie sämtliche Maßstäbe, die sie bei potentiellen Pflegeeltern ansetzen, bei leiblichen Eltern kontrollieren. Solange beide Elternteile vorhanden sind, interessiert sich keine Behörde für die Kinder. Da haben die Eltern "Narrenfreiheit". Es ist hinreichend genug bekannt, dass auch in Familien Glück und Unglück von Kindern dicht beisammen sein können. Gebt also auch Pflegeeltern die gleiche "Narrenfreiheit" wie leiblichen Eltern.
Sozialarbeiter in Jugendämtern sind primär Sachbearbeiter in Sachen Kinderangelegenheiten. Die Sozialarbeiter sind eingebunden in unsere bürokratische Ordnung, in der Kindeswohl kaum Platz zu haben scheint. Sozialarbeiter sind aufgewachsen in mehr oder weniger glücklicher und liebevoller Erziehung, derer sie sich kaum mehr erinnern. Liebe ist Bestandteil der Gefühlswelt des Menschen und kaum Bestandteil des Verstandes. Sozialarbeiter "reagieren" fast nur noch mit dem Verstand. Sie sind "Arbeiter" mit scheinbar viel Sachverstand, jedoch ohne Herz. Je älter sie werden, um so härter wird das Herz. Jungen Sozialarbeitern mag es ja durchaus noch "das Herz brechen". Doch wie jeder Job, so wird auch dieser zur Routine, härtet ab, macht betriebsblind, macht gefühlskalt - Eigenschaften, die der Welt eines Kindes fremd sind und genau das Gegenteil sind: ein Kind ist gefühlsbetont, sensibel, spontan; Eigenschaften, die von Behörden "verachtet" werden. Ein Kind hat sich danach anzupassen, muss noch lernen, muss gehorchen, darf nicht jähzornig sein; ein Kind, definiert wie ein 'Maßanzug von der Stange', als "gefühls,- geschlechts- und interessenloses Wesen. Deshalb fordere ich: legt ab Euer Halbwissen, akzeptiert die vielfach naiv geäußerten Beweggründe potentieller Pflegeeltern und glaubt an die Liebe.
Der Unterzeichner nahm bis zu seinem 7. Lebensjahr teil an der Liebe seiner Mutter, musste dann staatliche Tyrannei über sich ergehen lassen in einem Kinderheim, "genoss" dann 6 Jahre lang Pflegeeltern, die die schulische Qualifikation bis zum Abitur ermöglichten, studierte anschließend erfolgreich und hat inzwischen eine über 10 jährige sehr erfolgreiche betriebliche Erfahrung in der Personalarbeit.
Aus dieser Distanz heraus und mit soziologischen und psychologischen Wissensinhalten analysierte ich dann die behördliche "Narrenfreiheit". Näheres hierzu In meinem Erstlingswerk: Kinder in geschlossenen Einrichtungen. Gefühls- und. geschlechtslose Wesen, erschienen im R.G. Fischer Verlag 1990.
Mit besten Grüßen und dem Wunsch, behördlichen Unsinn zu erkennen und abzustellen.
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